Polizeipräsidium Wuppertal
Wuppertal: Polizeipräsidium Orte der Polizeigeschichte
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Von September 1939 bis April 1945 diente das Polizeipräsidium als Zentrale der NS-Verfolgungsbehörden im bergischen Städtedreieck. Es beherbergte die Dienststellen der Ordnungspolizei, der Kriminalpolizei und der Geheimen Staatspolizei. Die Gestapo war das am meisten gefürchtete Instrument zur Durchsetzung der NS-Herrschaft. Sie besaß weit reichende Vollmachten und konnte z.B. auf unbegrenzte Zeit „Schutzhaft“ verhängen und die berüchtigte „verschärfte Vernehmung“ anwenden. Das Handeln der Gestapobeamten bewegte sich zwischen Bürokratie und Terror. Nicht selten ermittelten sie erst aufgrund einer Denunziation aus der Bevölkerung. So wurden „illegale“ Geheimtreffen der Zeugen Jehovas, regimekritische Predigten von Pfarrern oder angeblich intime, als „Rassenschande“ geltende Kontakte zwischen Juden und Nichtjuden angezeigt. Manchmal konnte eine Verhaftung tödliche Folgen haben: Im Sommer 1942 bestellte die Gestapo Karl Markus aus Elberfeld zur Vernehmung, weil er keinen „Judenstern“ getragen hatte. Er wurde zunächst im Polizeigefängnis inhaftiert, dann in das KZ Buchenwald zur „Schutzhaft“ eingeliefert und von dort weiter nach Auschwitz verschleppt.
In den Jahren 1941 und 1942 organisierten die Beamten der Wuppertaler Gestapostelle vier Transporte, mit denen rund 800 jüdische Männer, Frauen und Kinder aus Wuppertal und dem bergischen Städtedreieck in Ghettos im besetzten Osteuropa deportiert wurden. Im Frühjahr 1945 ermordete ein Kommando aus Kripo- und Gestapoangehörigen auf dem Polizeischießstand Burgholz dreißig sowjetische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen, darunter die ukrainische Lehrerin Helena Matrosowa. Zuvor waren sie im Gefängnis des Präsidiums inhaftiert gewesen und dort durch Folter zu Aussagen erpresst worden.
Menschen mit Zivilcourage waren in Nazi-Deutschland eine kleine Minderheit. Die große Mehrheit der Bevölkerung unterstützte das NS-Regime bis zum Kriegsende und reagierte auf die Verfolgung und Ausgrenzung von politischen Gegnern, Juden oder „Zigeunern“ mit Zustimmung, Passivität oder Gleichgültigkeit. Der Kripobeamte Paul Kreber (1910-1989) bildete eine seltene Ausnahme, denn er rettete unter Gefährdung des eigenen Lebens eine siebenköpfige Sinti-Familie vor der Deportation in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Seine Tätigkeit beim Erkennungsdienst der Kriminalpolizei verschaffte ihm Zugang zur lokalen „Zigeunerkartei“. Als im März 1943 die in Wuppertal lebenden Sinti festgenommen und deportiert werden sollten, konnte er einige Namen von der Deportationsliste streichen und andere über die bevorstehende Verhaftungsaktion informieren. Er besorgte einigen der Untergetauchten falsche Ausländerpässe und ermöglichte ihnen so die Flucht aus Deutschland. 1988 hat Paul Kreber auf Initiative des Zentralrats der Sinti und Roma das Bundesverdienstkreuz erhalten.
Von Oktober 1967 bis März 1968 fand im Saal 300 ein spektakulärer Prozess statt: Angeklagt waren 14 ehemalige und teilweise zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung noch aktive Polizeibeamte wegen der Ermordung von über 1000 Juden in der polnischen Stadt Bialystok im Juni 1941. Es war die erste größere, von einer Polizeieinheit ausgeführte Mordaktion während des Zweiten Weltkriegs. Die Verantwortlichen, darunter die zwei aus Wuppertal stammenden Hauptangeklagten, hatten das Verbrechen nicht auf „höheren Befehl“, sondern auf eigene Initiative verübt. Nach dem Krieg kehrten die Täter unbehelligt in die gesellschaftliche Normalität zurück. Einige von ihnen hatten Karriere gemacht und bekleideten hohe Posten bei der Polizei oder in Unternehmen.
Der Wuppertaler Bialystok-Prozess, der überregional große Aufmerksamkeit erregte, endete mit lebenslangen und befristeten Haftstrafen für die Angeklagten. Das anfänglich sehr zahlreiche Publikum, darunter auch junge Polizeibeamte, wurde nicht nur mit einem besonders abscheulichen Verbrechen und dem von Schuldabwehr, Gleichgültigkeit und Verdrängung geprägten Verhalten der Angeklagten konfrontiert; die Zuschauer erlebten auch ein bemerkenswertes Exempel, NS-Verbrechen mit den Mitteln der Justiz aufzuklären und zu ahnden. 1973 wurden die Urteile wegen eines Verfahrensfehlers durch den Bundesgerichtshof aufgehoben und eine Neuverhandlung angeordnet. Der zweite Wuppertaler Bialystok-Prozess endete für die Hauptangeklagten mit einer geringen Haftstrafe, da ihr Verbrechen nur noch als „Beihilfe zum Mord“ gewertet wurde.
Im April 2019 hat der Innenminister des Landes NRW, Herbert Reul, auf Vorschlag des Polizeipräsidiums Wuppertal der Gründung eines regionalen polizeigeschichtlichen Zentrums im Polizeipräsidium Wuppertal zugestimmt. Die organisatorischen Weichen sind gestellt: Im Mittelgang des Erdgeschosses ist im Präsidium ein moderner Arbeitsbereich mit Bibliothek und Archiv eingerichtet und ausgestattet worden.
Die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Geschichte der Polizei im Bergischen Städtedreieck ist Teil einer besonderen Verpflichtung des Polizeipräsidiums Wuppertal, da im 1939 fertiggestellten Präsidialgebäude an der Friedrich-Engels-Allee das historische Erbe noch heute allgegenwärtig ist.
Zusätzlich aufgewertet wird das Rheinisch-Bergische Zentrum für Polizeigeschichte durch die emotional wuchtige Ausstellung „Ordnung und Vernichtung – Die Polizei im NS-Staat" der Deutschen Hochschule der Polizei. Auf 17 Info-Tafeln bietet sie - ebenfalls im Mittelgang des Erdgeschosses im Präsidialgebäude - einen hochwertigen Einstieg in die Geschichte der Polizei.
Das Ziel ist klar umrissen: „Junge Polizistinnen und Polizisten müssen erfahren, wie gefährdet der demokratische, republikanische Rechtsstaat ist." (Herbert Reul, Innenminister des Landes NRW)
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Rheinisch-Bergisches Zentrum für Polizeigeschichte im Polizeipräsidium Wuppertal
Friedrich-Engels-Allee 228
42285 Wuppertal