Innenansicht des Polizeigefängnisses des Polizeipräsidiums Wuppertal.

Polizeipräsidium Wuppertal

Wuppertal: Polizeipräsidium Orte der Polizeigeschichte

Daten und Fakten

Reichsadler mit einem Hakenkreuz.
Reichsadler mit Hakenkreuz (1939)

Das Präsidialgebäude in Wuppertal ist ein historisch bedeutsamer Erinnerungsort. „Das Haus der 1000 Zimmer“ spiegelt wie kaum ein anderes Gebäude in der Stadt die wechselvolle und widersprüchliche Geschichte des 20. Jahrhunderts wider.

  • Als unübersehbares bauliches Monument in Wuppertal im Stadtteil Unterbarmen zwischen den beiden Stadtzentren von Elberfeld und Barmen angesiedelt, suggerierte es die Macht und Stärke der Polizei und des NS-Regimes. Das Gebäude war zugleich Tatort eines unbarmherzigen nationalsozialistischen Verfolgungsapparates.
     
  • Aus dem Tatort entwickelt sich nach Kriegsende ein wesentlicher Ort des lokalen Wiederaufbaus. Das Gebäude wurde Sitz des Hauptquartiers der britischen Militärverwaltung. Eine unter britischer Aufsicht stehende kommunale Polizei hatte dort ebenfalls ihr Domizil.
     
  • Ab 1946 tagte in der ersten Etage der örtliche Entnazifizierungsausschuss, der bis 1951 über 30.000 Personen überprüfte.
     
  • Von Dezember 1945 bis Mitte der 1950er Jahre diente das Gebäude schließlich als „Neues Rathaus“ der Stadt. Im Festsaal wurde am 30. Oktober 1946 Robert Daum (SPD) zum ersten frei gewählten Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal nach dem Krieg durch die Stadtverordnetenversammlung gewählt.
     
  • In den 1960er Jahren war das Polizeipräsidium schließlich Schauplatz des spektakulären Białystoks-Prozesses, der sich um die juristische Aufarbeitung einer von Polizisten verübten Mordaktion an Juden bemühte.
     
  • Wegen seiner Architektur und seiner Bedeutung als einzigartiges Zeitdokument steht das Polizeipräsidium seit 1985 unter Denkmalschutz. Seine vielen „Gesichter“ machen es zu einem herausragenden Ort, um die Geschichte von Diktatur und Demokratie auf anschauliche und lebendige Weise zu vermitteln.
     
  • Der Architekt, Regierungsbaurat Alexander Schäfer, hatte schon das Polizeigebäude in Remscheid (1926) und das Düsseldorfer Polizeipräsidium (1932) entworfen. Sein Stil folgt einem bei Behördenbauten der 1920er und 1930er Jahre vielfach üblichen „abstrakten Klassizismus“, der auf Formen einer gemäßigten Moderne zurückgreift. Die heutige Fassadengestaltung stammt allerdings aus den 1970er Jahren. Das Gebäude verfügte ursprünglich über fast 600 Räume, einen mit modernster Technik ausgestatteten Festsaal und über ein Polizeigefängnis, das auch die Gestapo als „Hausgefängnis“ nutzte.
     
  • Das Innere des Präsidiums ist sehr aufwändig gestaltet worden, wie etwa das Treppenhaus, dessen Mosaikfußböden und Fenster der Wuppertaler Künstler und spätere Beuys-Lehrer Ernst Oberhoff (1906-1980) entworfen hatte. Besonders bemerkenswert sind die 1999 freigelegten und inzwischen denkmalgerecht restaurierten Wandbilder des Historienmalers Hans Kohlschein (1879-1948). Eins davon trägt den Titel „Die Neue Zeit“ und zeigt die Polizei, die SS und die Wehrmacht als Sinnbilder für das „tausendjährige Reich“ der Nationalsozialisten.

Weitere Informationen

Von September 1939 bis April 1945 diente das Polizeipräsidium als Zentrale der NS-Verfolgungsbehörden im bergischen Städtedreieck. Es beherbergte die Dienststellen der Ordnungspolizei, der Kriminalpolizei und der Geheimen Staatspolizei. Die Gestapo war das am meisten gefürchtete Instrument zur Durchsetzung der NS-Herrschaft. Sie besaß weit reichende Vollmachten und konnte z.B. auf unbegrenzte Zeit „Schutzhaft“ verhängen und die berüchtigte „verschärfte Vernehmung“ anwenden. Das Handeln der Gestapobeamten bewegte sich zwischen Bürokratie und Terror. Nicht selten ermittelten sie erst aufgrund einer Denunziation aus der Bevölkerung. So wurden „illegale“ Geheimtreffen der Zeugen Jehovas, regimekritische Predigten von Pfarrern oder angeblich intime, als „Rassenschande“ geltende Kontakte zwischen Juden und Nichtjuden angezeigt. Manchmal konnte eine Verhaftung tödliche Folgen haben: Im Sommer 1942 bestellte die Gestapo Karl Markus aus Elberfeld zur Vernehmung, weil er keinen „Judenstern“ getragen hatte. Er wurde zunächst im Polizeigefängnis inhaftiert, dann in das KZ Buchenwald zur „Schutzhaft“ eingeliefert und von dort weiter nach Auschwitz verschleppt.

In den Jahren 1941 und 1942 organisierten die Beamten der Wuppertaler Gestapostelle vier Transporte, mit denen rund 800 jüdische Männer, Frauen und Kinder aus Wuppertal und dem bergischen Städtedreieck in Ghettos im besetzten Osteuropa deportiert wurden. Im Frühjahr 1945 ermordete ein Kommando aus Kripo- und Gestapoangehörigen auf dem Polizeischießstand Burgholz dreißig sowjetische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen, darunter die ukrainische Lehrerin Helena Matrosowa. Zuvor waren sie im Gefängnis des Präsidiums inhaftiert gewesen und dort durch Folter zu Aussagen erpresst worden.

Menschen mit Zivilcourage waren in Nazi-Deutschland eine kleine Minderheit. Die große Mehrheit der Bevölkerung unterstützte das NS-Regime bis zum Kriegsende und reagierte auf die Verfolgung und Ausgrenzung von politischen Gegnern, Juden oder „Zigeunern“ mit Zustimmung, Passivität oder Gleichgültigkeit. Der Kripobeamte Paul Kreber (1910-1989) bildete eine seltene Ausnahme, denn er rettete unter Gefährdung des eigenen Lebens eine siebenköpfige Sinti-Familie vor der Deportation in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Seine Tätigkeit beim Erkennungsdienst der Kriminalpolizei verschaffte ihm Zugang zur lokalen „Zigeunerkartei“. Als im März 1943 die in Wuppertal lebenden Sinti festgenommen und deportiert werden sollten, konnte er einige Namen von der Deportationsliste streichen und andere über die bevorstehende  Verhaftungsaktion informieren. Er besorgte einigen der Untergetauchten falsche Ausländerpässe und ermöglichte ihnen so die Flucht aus Deutschland. 1988 hat Paul Kreber auf Initiative des Zentralrats der Sinti und Roma das Bundesverdienstkreuz erhalten. 

Von Oktober 1967 bis März 1968 fand im Saal 300 ein spektakulärer Prozess statt: Angeklagt waren 14 ehemalige und teilweise zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung noch aktive Polizeibeamte wegen der Ermordung von über 1000 Juden in der polnischen Stadt Bialystok im Juni 1941. Es war die erste größere, von einer Polizeieinheit ausgeführte Mordaktion während des Zweiten Weltkriegs. Die Verantwortlichen, darunter die zwei aus Wuppertal stammenden Hauptangeklagten, hatten das Verbrechen nicht auf „höheren Befehl“, sondern auf eigene Initiative verübt. Nach dem Krieg kehrten die Täter unbehelligt in die gesellschaftliche Normalität zurück. Einige von ihnen hatten Karriere gemacht und bekleideten hohe Posten bei der Polizei oder in Unternehmen.

Der Wuppertaler Bialystok-Prozess, der überregional große Aufmerksamkeit erregte, endete mit lebenslangen und befristeten Haftstrafen für die Angeklagten. Das anfänglich sehr zahlreiche Publikum, darunter auch junge Polizeibeamte, wurde nicht nur mit einem besonders abscheulichen Verbrechen und dem von Schuldabwehr, Gleichgültigkeit und Verdrängung geprägten Verhalten der Angeklagten konfrontiert; die Zuschauer erlebten auch ein bemerkenswertes Exempel, NS-Verbrechen mit den Mitteln der Justiz aufzuklären und zu ahnden. 1973 wurden die Urteile wegen eines Verfahrensfehlers durch den Bundesgerichtshof aufgehoben und eine Neuverhandlung angeordnet. Der zweite Wuppertaler Bialystok-Prozess endete für die Hauptangeklagten mit einer geringen Haftstrafe, da ihr Verbrechen nur noch als „Beihilfe zum Mord“ gewertet wurde.

Im April 2019 hat der Innenminister des Landes NRW, Herbert Reul, auf Vorschlag des Polizeipräsidiums Wuppertal der Gründung eines regionalen polizeigeschichtlichen Zentrums im Polizeipräsidium Wuppertal zugestimmt. Die organisatorischen Weichen sind gestellt: Im Mittelgang des Erdgeschosses ist im Präsidium ein moderner Arbeitsbereich mit Bibliothek und Archiv eingerichtet und ausgestattet worden.

Die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Geschichte der Polizei im Bergischen Städtedreieck ist Teil einer besonderen Verpflichtung des Polizeipräsidiums Wuppertal, da im 1939 fertiggestellten Präsidialgebäude an der Friedrich-Engels-Allee das historische Erbe noch heute allgegenwärtig ist.

Zusätzlich aufgewertet wird das Rheinisch-Bergische Zentrum für Polizeigeschichte durch die emotional wuchtige Ausstellung „Ordnung und Vernichtung – Die Polizei im NS-Staat" der Deutschen Hochschule der Polizei. Auf 17 Info-Tafeln bietet sie - ebenfalls im Mittelgang des Erdgeschosses im Präsidialgebäude - einen hochwertigen Einstieg in die Geschichte der Polizei.

Das Ziel ist klar umrissen: „Junge Polizistinnen und Polizisten müssen erfahren, wie gefährdet der demokratische, republikanische Rechtsstaat ist." (Herbert Reul, Innenminister des Landes NRW)

Fotos

  • Entwurf des Polizeipräsidiums Wuppertal in der Zeitschrift "Zentralblatt der Bauverwaltung".
    Entwurf (1936)
  • Innenansicht des Polizeigefängnisses des Polizeipräsidiums Wuppertal.
    Innenansicht Polizeigefängnis (1939)
  • Das Polizeipräsidium Wuppertal als Sitz der Besatzungsbehörde in der Nachkriegszeit.
    Headquarter Besatzungsbehörde (1947)
  • Gesamtansicht des Festsaals des Polizeipräsidiums Wuppertal
    Gesamtansicht Festsaal (1939)
  • Haupteingang des Festsaals des Polizeipräsidiums Wuppertal mit Empore
    Haupteingang Festsaal mit Empore (1939)
  • Seitenansicht des Festsaals des Polizeipräsidiums Wuppertal
    Seitenansicht Festsaal (1939)
  • Aufnahme der Tür zum Polizeigefängnis des Polizeipräsidiums Wuppertal (1939).
    Eingang Polizeigefängnis (1939)
  • Rückansicht des Polizeipräsidiums Wuppertal.
    Rückansicht (1950er Jahre)
  • Luftaufnahme des Polizeipräsidiums Wuppertal.
    Luftaufnahme (2004)
  • Festsaal des Polizeipräsidiums Wuppertal.
    Festsaal (2018)
  • Polizeihistorische Aussstellung im Polizeipräsidium Wuppertal.
    Polizeihistorische Aussstellung (2022)
  • Aufnahme des Wandgemäldes "Neue Zeit" von Hans Kohlschein.
    Wandgemälde "Neue Zeit" (2023)
  • Luftschutztür im Keller des Polizeipräsidiums Wuppertal.
    Luftschutztür (2023)
  • Darstellung eines Reichsadlers.
    Reichsadler (2023)
  • Ansicht des Treppenhauses des Polizeipräsidiums Wuppertal.
    Treppenhaus (2023)

Kontakt

Rheinisch-Bergisches Zentrum für Polizeigeschichte im Polizeipräsidium Wuppertal

Friedrich-Engels-Allee 228
42285 Wuppertal

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